Courage neu - wie die Idee entstand
- Sascha Stöckl

- 20. Feb. 2022
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Jan. 2023

Es war einer dieser märchenhaften, glühend leuchtenden, sonnendurchfluteten, verzaubernden Spätvormittage, mit denen uns dieser seltsame Jänner beschenkte.
Ich hatte zuerst ein paar Zeilen in dem Fantasy geschrieben, den ich vor etwas mehr als dreißig Jahren angefangen hatte und den ich jetzt, gegen meinen Willen, fertig schreiben musste, denn ich hatte begonnen, ihn in meinem letzten Roman, Quasi una analysis vitae, gleichsam als Auflockerungsfüllsel, einem kleinen Buben zu erzählen. Dann hatte ich mich, mit dem Rücken zu unserem Schaufenster, vor mein halbfertiges Goldbild gesetzt und die arme Susi war vor ihrem Computer gesessen und wurde gerade wieder einmal von der Blödheit eines Korrekturlesers geärgert, der einer maschinellen Übersetzung mehr Glauben geschenkt hatte als einer Kapazität, wie sie eine Frau Magistra Susanne Stöckl nun einmal darstellt. Ich bin dann vor meiner Staffelei gesessen, hatte munter vor mich hin gepinselt, und die Susi hatte sich auf ihren Bildschirm konzentriert.
Und beinahe hätten wir beide den kosmischen Augenblick verpasst, der uns an jedem Sonnentag geschenkt wurde!
Ich stand auf, drehte mich um und war von blendend leuchtender Glut umflossen. Die Sonne hatte das Auslagenfenster unserer kleinen Galerie erreicht und durchflutete den Raum mit ihrem glühenden Licht. Big Mamas dreizehn violette Blüten leuchteten bereits, wie aus kostbarem, hauchdünnem, durchsichtigem Porzellan geformt, in ihrer ganzen Pracht auf. Die anderen acht würden ihr, eine nach der anderen, folgen. Big Mama war die erste Orchidee, eine Phalaenopsis, die ich gekauft hatte und die jetzt, wie die anderen auch, bereits das fünfte Mal blühte.
Susi und ich setzten sich an unser Bistrotischchen, sie griff nach dem Bierkrügerl, das uns ein guter Freund geschenkt hatte und aus dem wir beide zusammen tranken. Sie liebt den Schaum, daher gebührt ihr der erste Schluck.
Das auch deswegen, weil sie die Fleißigere von uns beiden ist. Sie arbeitet hart und äußerst konzentriert an ihren oft sehr schwierigen Übersetzungen, während ich dagegen vor meiner Staffelei sitzen kann und herumpinsle, oder ich schreibe gerade wieder an einem Text. Bei ihr ist es konzentrierteste Arbeit, bei mir ist es das meist freudige Ausleben des Geschenks, das meine malerischen oder literarischen Beschäftigungen für mich sind.
Wir schwiegen eine Weile und betrachteten versonnen unsere Orchideen, nach einem weiteren Schluck, diesmal von mir, überraschte sie mich mit ihrer neuen Idee: Sie wollte unsere wunderschöne, aber doch schon nicht mehr ganz so den neuen, „modernen“ Anforderungen angepasste Website neu gestalten. Ich war begeistert und beim zweiten Bierchen kam mir die Königsidee, oder das, was ich mir als eine solche eben vorstellte: Die „Courage neu“!
In der „alten“ Courage, einer monatlich erscheinenden Zeitschrift, die sich für damalige Verhältnisse wirklich etwas traute, habe ich in den späten Achtzigern den Kulturteil geschrieben und diese Art des journalistisch Schreibens hat mir nicht nur eine Menge Spaß gebracht, sie war auch für meine spätere, rein literarische Arbeit sehr wichtig, denn sie hat mich Konzentration, Beharrlichkeit und Stilsicherheit gelehrt . Die Bezahlung war gut und wie beinahe alles in unser beider Leben, haben wir auch damals alles gemeinsam gemacht, denn die Susi hat den Kulturanzeiger gestaltet und hat dabei sogar fünfhundert Schilling mehr verdient als ich! Irgendwann hat der Eigentümer dann die Zeitschrift eingestellt, soviel ich weiß, hat er von seinem Vater ein ansehnliches Vermögen geerbt.
Unsere Absicht ist es wahrlich nicht, das Rad, oder gar den Journalismus neu zu erfinden, wir wollen eine ehrliche Arbeit, für die man sich nicht schämen muss, erstellen und dabei Spaß und Freude haben.
Aber: Ich habe die Absicht, dabei querfeldein, meist im Parforceritt, durch so gut wie alles, was man gerade noch als Literatur bezeichnen kann, zu rasen. Das wird sein: Irrlichterndes, Absurdes, Abstruses, Pseudophilosophisches, Kabarettistisches, Lyrisches, Humorvolles, Intelligentes (so vorhanden), Feulletonistisches, und überhaupt, alles, was mir so einfällt. Tabus werden hin und wieder missachtet, der Stil wird sich dem jeweiligen Sujet anpassen, Vorsicht vor intellektuellen Rösselsprüngen ist immer und überall vonnöten. Bosheit, Spitzzüngigkeit, Lächerlichmachung werden sich überkugeln.
Ebenso sollen jedoch als Allerwesentlichstes Redlichkeit, Sachlichkeit, die Achtung vor dem „audiatur et altera pars“, und dann Ehrlichkeit, der Mut zur Wahrheit und dem unverrückbaren Stehen zu den eigenen Prinzipien immer eingehalten werden! Was aber nicht bedeuten soll, dass manchmal nicht doch auch Schalk, Possenreißerei und die Freude an Spitzfindigkeiten und dem Spiel mit Worten vorhanden sein werden. Auch ist es nicht beabsichtigt, immer logisch, leicht verständlich oder gar volkstümlich zu sein, denn das Vergnügen an reiner Gehirnakrobatik um ihrer selbst willen wird von Fall zu Fall ebenfalls voll zuschlagen. Die genaue Schilderung dieser geballten Ladung an Absichten und Vorsätzen hat sich nicht vermeiden lassen, denn der geneigte Leser sollte und musste vorgewarnt werden, was ihn da alles erwarten könnte, aber jetzt genug der Drohungen und wieder zurück in das Reich der Seriosität!
Meine beiden großen Lieblinge und Vorbilder sind Karl Kraus und Kurt Tucholsky. Letzteren mag ich besonders, weil er ehrliche, manchmal beinahe gnadenlose Sozialkritik ausübt, wobei aber immer Verständnis, Mitgefühl, manchmal sogar Mitleiden zu verspüren sind. Zusätzlich besitzt er einen oft skurrilen Humor (Das Paradebeispiel: Wo kommen die Käse im Löcher her). Seine Pseudonyme Kaspar Hauser, Peter Panter, Theobald Tiger und Ignaz Wrobel haben es mir so angetan, dass ich mir auch welche zugelegt habe: Rudi Reblaus, Reinhold Rabe und Manni Maus!
Die Idee einer Diskussionsecke oder eines Diskussionsforums haben wir sehr schnell wieder verworfen, denn wir wollten einerseits nicht in den Fehler von Karl Kraus verfallen, der mit Alfred Kerr beinahe kindisch herumzankte, mehr aber hat uns die geradezu bodenlose Blödheit, die ungehemmte Brutalität und Bösartigkeit, die im Internet überborden, abgeschreckt. Gastkommentare wären durchaus möglich, sie sind aber nicht eingeplant.
Ein unregelmäßiges Erscheinen wird sich leider nicht vermeiden lassen!
Susi, die ich, sehr zu meinem Bedauern und mit schlechtem Gewissen, was den technischen Teil betrifft, voll im Stich lassen muss, ist zumeist mit Arbeit eingedeckt und braucht jede Stunde ihrer kargen Freizeit, und dann will sie ja auch noch das eine oder andere ihrer fantastischen Bilder malen, an ihrem Roman „Wind der Zeit“ weiterschreiben, na ja, für die Courage muss sie sich auch noch einiges, vor allem was das Thema „Nostalgie“ betrifft, einfallen lassen.


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